KM-I-1: Wassertemperatur des Meeres

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In der Nordsee werden auch in tieferen Wasserschichten inzwischen immense Wärmemengen gespeichert.
Quelle: Dudarev Mikhail / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Die Nordsee wird wärmer

Die weltweite Erderwärmung äußert sich nicht nur in einer steigenden Lufttemperatur, auch die Meere und Ozeane werden immer wärmer. Vor allem in Jahren mit lang anhaltenden Hitzewellen steigen die Wassertemperaturen deutlich. So kam es an der deutschen Küste im besonders heißen Sommer 2003 zu außergewöhnlich hohen Wassertemperaturen: Im August verfehlte die mittlere Oberflächentemperatur gemittelt über die gesamte Nordsee den bisherigen Höchstwert von rund 17,6 °C aus dem August 1997 um nur 0,2 °C. Lokal und für einzelne Tage können die Temperaturen dabei noch deutlich höher ausfallen. Im ⁠Hitzesommer⁠ 2018 kletterten die Maximaltemperaturen an küstennahen Messstationen der Nord- und Ostsee auf bis zu 26 °C und damit auf mediterranes Niveau. Zuletzt brachen die Wassertemperaturen der Nordsee im Jahr 2022 Wärmerekorde: Das Sommermittel der Oberflächentemperatur lag stellenweise mehr als 1 °C über dem langjährigen Sommermittel von 1997 bis 2021.
Durch ihre Speicher-, Puffer- und Austauschfunktion übernehmen die Weltmeere eine zentrale Rolle im ⁠Klimasystem⁠ der Erde. Über 90 % der durch den anthropogenen ⁠Treibhauseffekt⁠ erzeugten zusätzlichen Wärmemenge wird in den Ozeanen gespeichert. Anders als beispielsweise die Lufttemperaturen über dem Festland, die stärker unter dem Einfluss lokaler Wetterereignisse sowie der natürlichen Klimavariation stehen, zeigt der Temperaturverlauf der Ozeane, insbesondere in tieferen Schichten, geringere Schwankungen. Im Zeitraum 1960–2020 ist die Wärmemenge der obersten 2.000 m des Weltozeans um 380±81 Trilliarden Joule (380±81  x 1021 J) angestiegen. Über die gesamte Erdoberfläche gemittelt ergibt sich eine Erwärmungsrate von 0,39±0,08 Watt pro Quadratmeter (W/m2). Ein Blick ins Detail offenbart, dass sich der Ozean in den letzten rund 30 Jahren stärker erwärmte als zu Beginn der Aufzeichnungen: Die mittlere jährlich aufgenommene Wärmemenge lag im Zeitraum 1986–2020 etwa 8-mal höher als zwischen 1958 und 1985. In den letzten Jahren haben die Weltmeere stets mehr Wärme aufgenommen als im jeweiligen Vorjahr.

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KM-I-1: Wassertemperatur des Meeres

Die mittlere jährliche Oberflächentemperatur der Nordsee ist seit 1969 signifikant gestiegen. Die mittlere Erwärmung beläuft sich auf 0,26 °C pro Dekade. Die jährlichen Werte unterliegen natürlichen Schwankungen.

Quelle: Datenquelle: BSH Messstationen der Nordsee

Die Erwärmung der Ozeane und Meere findet nicht nur an der Oberfläche statt, denn die aufgenommene Wärme wird ins Meeresinnere weitergeleitet und erreicht auch tiefere und meeresbodennahe Schichten. Die Klimaerwärmung in erster Linie am Anstieg der global gemittelten Oberflächentemperatur zu messen, kommt daher einer vielfachen Unterschätzung und Fehleinschätzung der Problematik gleich. So wurde die globale Erwärmung sogar in Zweifel gezogen, als die Erwärmung der Oberflächentemperatur im Zeitraum 1998–2013 mehr oder minder stagnierte (global warming hiatus).
Dass auch Nordsee und Ostsee wärmer geworden sind, belegen insbesondere die großräumigen Oberflächentemperaturanalysen für die Nordsee, die am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) seit über 50 Jahren durchgeführt werden und für den ⁠Indikator⁠ zu Jahresmitteltemperaturen aggregiert wurden. Statistisch lässt sich ein signifikanter linearer Trend für den Gesamtzeitraum angeben. Der linear gemittelte Temperaturanstieg von rund 0,26 °C pro Dekade wird dabei von Schwankungen auf verschiedenen Zeitskalen überlagert. Ursächlich dafür sind verschiedene natürliche Variabilitätsmuster wie die Atlantische Multidekadische Oszillation. Die Zeitreihe der Jahresmittel der Lufttemperatur in Deutschland zeigt eine ähnliche Entwicklung. Ähnliche Variabilitätsphänomene sind auch in anderen Teilen der Welt zu beobachten: Aufgrund der Entwicklung der mittleren Oberflächentemperaturen entlang der nordamerikanischen Pazifikküste bis in den Zentralpazifik ist von einem Warmregime im Pazifik seit 2014 auszugehen.

Die bisher höchsten Jahresmitteltemperaturen der Nordsee von 11,0 °C (2003, 2006, 2016, 2020) und darüber (11,4 °C, 2014) ergaben sich in der Regel aus einer extremen Erwärmung in den Sommermonaten, so auch zuletzt im Jahr 2022 (11,2 °C).
Die Konsequenzen der Erwärmung in Nord- und Ostsee und in anderen Weltmeeren auf das marine ⁠Ökosystem⁠ wurden in verschiedenen wissenschaftlichen Studien dokumentiert. Arten passen ihre Verbreitungsgebiete an oder sterben (lokal oder regional) aus. Auch indirekte Begleiterscheinungen des Klimawandels wie der Sauerstoffmangel und die ⁠Versauerung⁠ der Meere tragen dazu bei, dass sich mit der Artenvielfalt, -zusammensetzung und -verbreitung das gesamte marine Nahrungsnetz verändert. Die ökonomischen Folgen für die Meeresfischerei sind schwer überschaubar. An den deutschen Küsten haben hohe Meerwassertemperaturen in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt, wenn aufgrund erhöhter Konzentrationen von Vibrionen eine Gefahr für die Gesundheit von Badenden bestand oder der Badetourismus durch Blaualgenblüten beeinträchtigt wurde. Zusätzlich angetrieben werden diese Entwicklungen durch die anhaltende ⁠Eutrophierung⁠ über Nährstoffeinträge aus den Flüssen. Die zur Erreichung der Ziele des Meeresschutzes für Deutschland festgesetzten maximalen Konzentrationen für Stickstoff am Übergangspunkt limnisch-marin werden im Mittel aller Flüsse für die Nordsee inzwischen eingehalten, aber für die Ostsee nach wie vor überschritten. Einige der Nord- und Ostseezuflüsse weisen noch sehr hohe Konzentrationen auf.
Eine unmittelbare Folge der Wärmespeicherung in den Ozeanen ist zudem die Ausdehnung (Volumenzunahme) des Meerwassers – eine der wesentlichen Ursachen des Meeresspiegelanstiegs. Der globale Meeresspiegel lag 2021 97 mm über dem Niveau von 1993 (dem Beginn der Satellitenmessungen) und damit auf Rekordhöhe. Knapp 40 % davon sind auf die thermische Ausdehnung des Meerwassers zurückzuführen, der überwiegende Rest auf den Massezuwachs durch Schmelzwasser.

 

Schnittstellen

GE-I-7 Gesundheitsgefährdung durch Vibrionen (Fallstudie)

KM-I-2 Meeresspiegel

FI-I-1 Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

FI-I-2 Heringslarven im Greifswalder Bodden

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