Stadtzentren als Orte nachhaltigen Konsums gestalten

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Einkaufsstraße: Nachhaltiger Konsum kann zu einer Belebung der Innenstädte führen
Quelle: William / stock.adobe.com

Innenstädte werden immer unattraktiver, weil viele Kund*innen Produkte eher im Internet kaufen. Wie können Stadtzentren wiederbelebt werden? Können Kommunen sie durch nachhaltige Konsumangebote wieder zu attraktiven und lebendigen Orten der Gemeinschaft gestalten? Das Forschungsvorhaben „Stadtzentren als Orte nachhaltigen Konsums gestalten“ (SONa) erprobt dies in drei lokalen Pilotprojekten.

Inhaltsverzeichnis

Städte unterliegen einem konstanten Wandel. Mit der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft sind neue Ansprüche an den Umgang mit der begrenzten Fläche im urbanen Raum in das öffentliche Interesse gerückt. Das wachsende Bewusstsein für urbane Grünflächen und Naherholungsgebiete sowie der Einfluss auf städtische Wirtschaftsstrukturen erzeugten neue und veränderte Ansprüche an den Stadtraum. Hinzu kommt der drohende Funktionsverlust der Innenstädte, der Planer*innen und Kommunen vor große Herausforderungen stellt. Der wachsende Leerstand von Einzelhandelsflächen in den Stadtzentren und die seit Jahren wachsende Wohnraumknappheit bei gleichzeitig steigenden Mietpreisen verlangt danach, dass der urbane Raum auch im Stadtzentrum neu gedacht werden muss.

 

SONa – Stadtzentren als Orte nachhaltigen Konsums

Innenstädte müssen sich von ihrem Fokus auf Handel und Konsum lösen und ihre anderen Funktionen (Aufenthalt, Gemeinschaft, Freizeit, Kunst, Kultur) stärken. An dieser Stelle setzt das F&E-Vorhaben SONa an: Es erprobt die Rolle nachhaltiger Konsumangebote in der Transformation der Innenstädte in drei lokalen Pilotprojekten. Dem zu Grunde liegt die Annahme, dass Stadtzentren als Orte nachhaltigen Konsums nicht nur nachhaltige Konsumkulturen fördern, sondern auch Orte der Gemeinschaft schaffen und eingebettet in eine umweltverträgliche Stadtentwicklung sind.

Primär als Orte des kommerziellen Konsums gestaltet, kann insbesondere die klassische Einkaufsstadt den neuen Anforderungen an den öffentlichen Raum im Stadtzentrum heute kaum noch gerecht werden. Im Einzelhandel stellt das stetig wachsende Online-Geschäft die größte Konkurrenz dar. Außerdem müssen die Bedarfe der Bevölkerung an Städte als Wohn- und Arbeitsort mit einer hohen Lebens- und Aufenthaltsqualität berücksichtigt werden. Es gibt bereits zahlreiche Ansätze, um den Weg zu dem oft formulierten Ziel einer “nachhaltigen” und “resilienten” Stadt zu gestalten. Sie reichen von einer Transformation städtischer Infrastrukturen über die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen bis zum Schaffen gesetzlicher Teilhabe und sozialer Gleichberechtigung. Exemplarisch soll hier die Neue Leipzig-Charta herausgegriffen werden, die im Jahr 2020 die Vision einer gerechten, grünen und produktiven Stadt beschrieben hat. Ihr Fokus liegt auf der Nutzungsmischung im urbanen Raum generell und den Innenstädten bzw. Stadtzentren im Speziellen (Neue Leipzig-Charta: Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl, 2021).

 

Nachhaltige Konsumkulturen als Antwort?

Bereits heute gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote für nachhaltigen Konsum: Produkte mit Nachhaltigkeitssiegeln, Händler sowie Anlaufstellen, die sich auf den Wiederverkauf, die Reparatur oder das Teilen gebrauchter Sachgüter spezialisiert haben oder Initiativen, die sich der gemeinwohlorientierten Wirtschaft verschrieben haben. Viele dieser Angebote fristen jedoch ein Nischendasein und – für das F&E-Vorhaben SONa entscheidend – finden sich oft nur in Ausnahmefällen in den zentralen Einkaufsstraßen der Innenstädte bzw. der Stadtteilzentren statt. Dabei gibt es potenziell synergetische Wirkungen zwischen den Zielen und Visionen der Innenstadtentwicklung und der Etablierung nachhaltiger Konsumangebote in den Innenstädten. Denn die nachhaltigen Angebote lenken den Blick nicht selten von den rein materiellen Bedürfnissen auf die immateriellen Bedürfnisse und damit auf die Funktionen der Innenstädte, die es im Sinne der nachhaltigen Innenstadtentwicklung zu stärken gilt: Wohnen, Freizeit, Kultur, Mobilität, aber auch Gemeinschaft und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Innenstädte, so die Quintessenz der Forschung, müssen „weitere Besuchsgründe[n] – abseits vom Gewerbe“ (imakomm Akademie, 2021, S. 21) bieten. Zudem lenkt die Etablierung nachhaltiger Konsumkulturen den Fokus auf wünschenswerte Gemeinschaftsfunktionen von innerstädtischen Räumen. Es gilt eben diese Räume, die bisher vorwiegend von einer traditionellen – verbrauchenden – Konsuminterpretation geprägt wurden, anders zu gestalten und das Erleben von Gemeinschaft als zentralen Aspekt hinzuzufügen. Als F&E-Vorhaben geht SONa davon aus, dass nachhaltige Konsumangebote eine wirksame Antwort auf die bereits eingetretene oder drohende „Verödung“ der Innenstädte sein können.

 

Inspirierende Beispiele der Innenstadtentwicklung

Die komplexe Problemlage in den Innenstädten wird vielerorts bereits heute adressiert, allerdings selten mit einem expliziten Fokus auf die Schaffung nachhaltiger Konsumkulturen. Trotzdem können die Erfahrungen aus bereits laufenden Innenstadtentwicklungsprojekten auch für die SONa-Pilotierungen wertvolle Erkenntnisse liefern. Aus diesem Grund wurden sieben inspirierende Beispiele ausgewählt und in Fallstudien aufgearbeitet (sie sind in den drei folgenden Factssheets zusammenfassend dargestellt: "Reaktionen auf die Konkurrenz durch E-Commerce", "Reaktionen auf die (drohende) Verödung von Einkaufsstraßen" und "Reaktionen auf leerstehende Warenhäuser").

In wissenschaftlichen Interviews mit unterschiedlichen Praxisakteuren wurden darüber hinaus wertvolle Erkenntnisse für die notwendigen Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Innenstadtentwicklung gewonnen. Insbesondere die Interviews haben zudem eine erste Hypothese des F&E-Vorhabens bestätigt: Temporäre Interventionen können – unter den richtigen Bedingungen und achtsam konzipiert – eine wichtige Rolle in der langfristigen Innenstadtentwicklung einnehmen.

 

Gemeinsam ausprobieren

In drei lokalen Pilotprojekten sollen bei SONa neue Ideen zur zukunftsfähigen (Um-) Gestaltung von Innenstädten zu lebendigen Orten nachhaltigen Konsums konzipiert und vor Ort ausprobiert werden. Die Pilotierungen (Laufzeit: zwischen dem 01.10.2023 und dem 17.10.2025) sollen dabei einen von drei Themenschwerpunkten aufgreifen:

  1. Die Entwicklung eines leerstehenden Warenhauses in der Innenstadt als multifunktionellen Ort des nachhaltigen Konsums,
  2. die Fokussierung multipler Leerstände von Ladenflächen in der Innenstadt und die Förderung nachhaltiger Konsummuster oder
  3. die Verbindung von Onlinehandel und Angeboten des nachhaltigen Konsums in städtischen Zentren.

Der Untersuchungsraum der SONa-Pilotierungen wird zu diesem Zweck stark eingegrenzt und über die Konzentration des Versorgungsangebots bestimmt: SONa blickt auf die Straßenzüge und unmittelbar angrenzenden Nebenstraßen, deren traditionelle Primärfunktion das Einkaufen neuer Güter und/oder Dienstleistungen ist. Genauer genommen blickt das Projekt auf die Konzentration von bereits eingetretenem oder drohendem Gewerbeleerstand in zentralen Einkaufsstraßen und ihrer unmittelbaren Umgebung.

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 Innenstadt  Nachhaltiger Konsum  Einzelhandel  Nebenprodukt  Nachhaltige Stadtentwicklung  Corona-Pandemie