Wildnis, Erde, Gedicht

Hohes Gras und Büsche, im Hintergrund ein Plattenwohnblock.zum Vergrößern anklicken
Wo fängt Wildnis an?

Brachen erzählen von Verlust an Naturräumen und Artenvielfalt aber auch von der Widerständigkeit der Natur.

Quelle: Heike Brückner

Lesung und Gespräch mit Jan Röhnert am 14.02.2024, 15-16 Uhr

Was ist eigentlich gemeint, wenn von Wildnis die Rede ist? Die prototypische Wildnis gibt es nicht, der Begriff ist ebenso wie „Natur“ ein Produkt unserer kulturellen Zuschreibungen an einen vermeintlich unberührten, „naturbelassenen“, menschenleeren Raum. Bei näherer Beschäftigung stellt sich die Frage, ob das projizierte Idealbild von Wildnis als „unberührten“ Landschaft nicht künstlicher ist als eine sekundäre oder tertiäre Wildnis, die sich in einer vom Menschen geprägten Umwelt, z.B. auf Brachen oder Ruderalflächen entwickelt. Das Anthropozän, das für viele Kultur- aber auch Naturwissenschaftler aktuelle Erdzeitalter mit einer irreversiblen vom Menschen veränderten Bio-, Geo- und Ökosphäre, drängt zum Nachdenken über einen erweiterten Wildnisbegriff: Sollte man „Wildnis“ nicht als Ermöglichungsraum oder Modus für ökologische Prozesse wie menschliche Erfahrungen fassen, der Platz bietet für das offene, unkontrollierte, (noch) nicht Festgestellte oder Normierte, Ungeregelte, Unerwartete, Ungezügelte, Überbordende, Inkommensurable – mit einem Wort: für das „Wilde“, sowohl in als auch außer uns? Wildnis wäre demnach ein Raum innerhalb unserer Kultur, in dem das Wilde als Modalität zugelassen ist wie das vermeintliche „Unkraut“ in einem „verwilderten“ Garten. 

Wie kann es Gedichten gelingen, diese „verlorene“ Erde, den Boden und damit eine Quelle des Wilden zumindest für Augenblicke zurückzugewinnen? Wie kann poetische Erfahrung unser Engagement formen – und vice versa? Jan Röhnerts Lesung aus seinem aktuellen Lyrikband „Erdtagzeit“ gibt Anlass, sich diesen Fragen auszusetzen und über den Begriff der Wildnis als Horizont des Nature Writings, die Verbindung von Poesie und Ökologie nachzudenken. In seinem Essay „Nature Writing. Vom Erkenntniswert einer Literatur an den Schnittstellen von Wissenschaft und Poesie“ entwirft der Autor eine Standortbestimmung einer Schreibweise für Zeiten im Umbruch.

Jan Röhnert (*1976) ist Autor, Übersetzer, Kritiker und unterrichtet als Professor für neuere und neueste Literatur in der technisch-wissenschaftlichen Welt an der Technischen Universität Braunschweig. Sein geopoetisches Projekt „Vom Gehen im Karst“ erschien 2021 in der Reihe „Naturkunden“ bei Matthes & Seitz Berlin. Die aktuelle Forschung ist unter dem Arbeitstitel „Wildnisarbeit“ der Verbindung von ökologischem Ethos und Ästhetik in Poetiken des Nature Writing gewidmet. Im März erscheint die Erzählungssammlung „Karstwärts“. Mehr zu Jan Röhnert: http://www.janroehnert.de/

Zu dieser Online-Veranstaltung, moderiert von Carsten Neßhöver, Leiter TES Academy am Umweltbundesamt, laden wir Sie herzlich ein.

Teilnahmelink:
https://uba-meeting.webex.com/uba-meeting-de/j.php?MTID=mf211a4d347e887d8c54e135a37325847

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme und einen regen Austausch!

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 Kunst und Umwelt